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Laut WHO und dem Le-Temps-Artikel «Bientôt tous myopes?» nehmen Fehlsichtigkeiten bei Kindern und Jugendlichen stetig zu. Es ist heute nicht ungewöhnlich, dass Kinder eine Brille tragen, während ihre Eltern an keiner Fehlsichtigkeit leiden.
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Gemäss Gabriele Thumann, Leiterin der Abteilung Augenheilkunde am Universitätsspital Genf HUG, tritt Kurzsichtigkeit heute im Gegensatz zu früher in einem jüngeren Alter auf und ist nicht mehr nur genetisch bedingt: «Wir sehen immer mehr Babys, Kinder und Jugendliche mit Kurzsichtigkeit, die durch ihre Lebensweise und nicht durch Vererbung verursacht wird.» Die Augenspezialistin befürchtet, dass wir bald schon mit dem gleichen Phänomen wie in Asien konfrontiert sein werden, wo fast 90% der jungen Leute kurzsichtig sind. In der Schweiz stieg der Anteil der Brillen- und Kontaktlinsenträger zwischen 1992 und 2012 von 59% auf 64%. Darin widerspiegelt sich die Zunahme der Kurzsichtigkeit bei jungen Leuten im Alter von 15 bis 39 Jahren.
Wie lässt sich diese Entwicklung stoppen?
Im Visimag 30-Jahre-Spezial erklärt Dr. Pierre-François Kaeser, Leiter der Abteilung Strabologie und Kinder-Augenheilkunde der Augenklinik Jules-Gonin, dass «zwei Umweltfaktoren bei der Entstehung und dem Fortschreiten der Kurzsichtigkeit dominieren: die Zunahme von Aktivitäten im Nahsichtbereich, wie Bildschirmarbeit oder Lesen, sowie die Abnahme der draussen verbrachten Zeit». Er empfiehlt Eltern, Kindern und Jugendlichen, «mindestens eine Stunde pro Tag im Freien zu verbringen, die Zeit vor dem Computer und dem Smartphone zu begrenzen und eine Lesedistanz von 30 bis 40 cm einzuhalten». Und was bringt eine Operation? Laut Dr. Kaeser ermöglicht eine Operation, auf eine Brille oder Kontaktlinsen zu verzichten, aber sie ist nicht in der Lage, einen zu langen Augapfel zu korrigieren oder das allfällige Fortschreiten der Kurzsichtigkeit zu verhindern.
Vorbeugung von Kurzsichtigkeit, um andere Fehlsichtigkeiten zu verhindern
In der Schweiz nimmt auch die Zahl der Personen mit Weitsichtigkeit, Astigmatismus und Presbyopie zu, aber für Gabriele Thumann bleibt die Prävention der Kurzsichtigkeit vom frühesten Kindesalter an eine Priorität. «Kurzsichtige haben eine erhöhte Prädisposition für Krankheiten wie Katarakt, Glaukom, Netzhautablösung oder Makulaerkrankungen», erklärt sie. Wenn das Risiko einer sehr starken Kurzsichtigkeit – und damit einer Behinderung – bei einem Kind erkannt wird, können die Augenärzte schwach dosierte Atropin-Tropfen verschreiben, um das Wachstum des Augapfels zu verlangsamen, aber nur, wenn die Behandlung von Massnahmen wie einer Stunde im Freien und einer wesentlichen Verkürzung der Bildschirmzeit begleitet wird.